Freitag, 19. Mai 2017

Unter Polizeischutz zu kurdischen Geldwechslern

Die Zeit nahm die Stunden auf. Sie verschwinden in der Vergangenheit. Auf dem Motorrad ist es nicht anders, jeder Kolbenhub wird zum Gestern. Mit der rumänischen Familie hatte ich mein Zimmer gegen eine Nacht auf dem Klappsofa in der Küche getauscht. Wir frühstückten gemeinsam auf dem Hof. Der Tisch war ein eisernes Bettgestell. Dort wo früher die Matratze ruhte, lag jetzt eine Holzplatte bedeckt mit einem Tuch. Serviert wird flaches Weißbrot, Marmelade, frischer Käse und Joghurt. Mit schwarzem Tee wird alles verfeinert. Anschließend fand der große
Fototermin, im WS Hemd Hussein, auf dem Beiwagen
der Vater und die Rumänen
Fototermin für Husseins "Iranoverland" statt. Es dauert, weil immer wieder Männer anhalten, um ein Handyfoto zu schießen.
Das gemeinsame Tanken verging schnell. Verabschiedung von netten Beiwagenfahrern. Bis zur Ausfallstraße hatten ich noch Begleitung, dann ging es alleine weiter.
Im Licht der gleißenden Sonne bestimmt ein ausgedehnter Salzsee "Daryacheh ye Orumiye" die Landschaft.
Weiß glänzende Streifen wechseln sich mit einigen wenigen  hell eisenbraunen ab. Es dauert ehe man das salzige Gewässer verlässt. Im Hintergrund verschwinden die schneebedeckten Gipfel. Ein wenig Allgäu, nur wesentlich weiter entsteht. Eine Pause in Mahabad schenkt mir wieder großzügige Gastfreundschaft. In einer Konditorei wollte ich etwas trinken und eine Kleinigkeit essen. Der Verkäufer schenkte mir alles. In vier Monaten wird er nach Wien an die Uni gehen. Noch kann er kein Deutsch. Das wird schon, ich finde das Deutsche einfacher als das Kurdische.
Die Landschaft zeigt das Frühjahr. Junger Weizen wiegt sich neben frisch aufgeworfener Erde im steten Wind. Kleine Obstplantagen haben ihre Blüten

abgeworfen und arbeiten an den Früchten. Männer in kurdischer Tracht fallen auf. Häufig bestimmt ein Erdbraun den Farbton. Sie sieht wie ein Einteiler aus, um dessen Mitte sich ein breiter Gürtel bindet. Auch die Pappeln sind nicht gewohnt. Schlanker im Stamm, mit zwei bis drei Etagen Verästelung. Sie lassen sich vom Wind leichter wiegen und rauschen bestimmt nicht so, wie die Deutschen.
Mir fällt ein, dass ich noch Geld tauschen möchte. Divanderreh, eine Kleinstadt, scheint geeignet. Der Polizeiposten am Stadteingang wird Opfer einer Befragung. Man versteht mich. Die gemeinsame Abstimmung mit dem Dienstältesten, er ist an den roten Kordeln an der Schulter zu erkennen, ergibt den Ort der Wechselmöglichkeit. Hände und Füße reichen nicht aus, um mir den Weg zu erklären. Es wird eine Skizze gefertigt. Ich blicke auf die Striche. Schnell wird erkannt, dass ich damit das Ziel niemals erreiche. Es wird der Befehl erteilt, das Dienstmoped zu besteigen und mir voraus zu fahren. Zwei Mann sind gerade gut genug. Ich vermute, in Berlin wäre die Sache bereits am Budget gescheitert. Die Bank hat geschlossen. Mehrfaches Telefonieren. Weiter folgen bis zu einem großen Platz. Die Wechselstube. Die Polizei erklärt, ich werde übergeben. Militärisch kurzer aber freundlicher Abschied. Sie knattern mit  hängendem Blinker davon. Alle Mitarbeiter
Kurdische Geldwechsler im CD-Laden, im Hintergrund​
der Ladenbesitzer Hussein, der Lehrer für behinderte
Kinder war
der Wechselstube kommen zusammen. Gesetzte Herren in einer Art weiter Jogginghose und hellem Hemd gekleidet. Als Sprachmittler stellt sich der Ladennachbar zur Verfügung. Bald kommen weitere Männer hinzu. Woher, wie ich Kurdistan finde und die Familie sind die Themen. Und natürlich das Motorrad. Immer wieder Fotos mit dem Bienchen. Der Ladennachbar macht in CD's und Videos. Ich Frage nach kurdischer Musik. Meine Frau spielt auch Musik. Er lädt eine dicke CD mit klassischer Musik voll und schenkt sie mir. Wir trinken noch Tee zusammen.
Nicht immer geht es so. In einem kleinen Läden kaufte ich Wasser und ein zuckerhaltiges Getränk. Da habe ich eindeutig zu viel bezahlt. Der Kampf mit den Nullen und das Umrechnen klappen noch nicht.
An diesem Ort bekam ich jedenfalls den Tip für ein Hotel in Sanandaj. Dass Shadi Hotel bietet eine Menge.  Verhandlungsbereitschaft zum Beispiel. Der Nachlass von zehn € bescherte mir dann die Teilnahme am Abendbuffet. Reichhaltig, mit frischem geschältem und gekochtem Gemüse, verschiedenes Fleisch, na ja und so eben. Ich habe lange bei Tisch gesessen. Alle fragten ob ich nach Marivan fahren würde. Ein wunderschöner Ort an einem See, dicht an der irakischen Grenze. Es sei ungefährlich. Im Reiseführer wird der Ort gelobt. Eine gut zu fahrende Serpentinenstraße führt durch die kordestanische (ja, richtig mit "o") Berglandschaft.

Zum ersten Mal begleitet mich unterhalb ein springender Fluß.
Was ich immer noch nicht geschnallt habe, sind die dicken Schwellen vor und in den Orten. Manchmal kann ein Fremder sie an der gelben Markierungen davor erkennen. Oft fehlen diese oder sind abgefahren. Die Schwellen ducken sich grauen Buckeln gleich in den Asphalt, die Eingeweihte schnell erkennen.  Ich achte zu sehr auf den quirligen Verkehr und so sehe ich sie manchmal sehr spät.
In Marivan hatte ich wieder Glück. Die Schweißnaht der Kofferhalterung war gerissen. Vermutlich eine Folgende meines Hängenbleiben am Anfang der Reise. Die Autowerkstatt gegenüber dem Hotel wusste Hilfe. Der Mechanikus fuhr mit seinem Moped vor und so fand ich den Schweißer. Sie wollten kein Geld und wünschten mir eine gute Reise.
Kordestan

Merivan vor einem Gewitter mit wenig Regen,
die Städte sind hier immer Ballungsräume, bisher
häufig eng und farbig wie der Staub des Landes.





1 Kommentar:

  1. Silvia: die Polizei/Wechselgeld-Story ist cool! Bin gespannt, wann du nach Wahlkampf Auftritt und Polizei Escorte gleich nach Trump in den Nachrichten kommst....

    AntwortenLöschen