Donnerstag, 29. Juni 2017

Mit deutschen Türken im Zug nach Hause

Für zehn Euro schlief ich gut im Bahnhofshotel. Ab 17 des nachsten Tages Uhr sollte das "Bording" beginnen. Die Menge der Mitreisenden war überschaubar. Zehn Reisende teilten sich einen Schlafwagon. Ich hatten ein Viererabteil gebucht, schlief dann im Zweier mit Ibrahim . Ibrahim war der erste Insbrucker Türke mit einem Taxiunternehmen. Seit über 30 Jahren lebt er in der Tiroler Landeshauptstadt, sein Pass weist ihn als Österreicher aus. Er lebt gerne in der Alpenrepublick, findet "sein" Land gut und fühlt sich innerlich als Türke. Mir versicherte er, dass er froh sei, wieder nach Hause fahren zu können. Die Unordnung und Lässigkeit störe ihn im Land seiner Eltern. Das es ihm gut geht, ist an seinem Leibesumfang zu sehen. Bewegungsmangel und einseitige Ernährung hat er als Ursachen erkannt. Jedoch ist, wie so oft, der Geist willig und das Fleisch schwach. Er möchte sich ändern. Beim nächtlichen Schnarchen hat es noch nicht geklappt.
Mit der Biene fuhr ich in einen dunklen Autowagon, mit "wunderbaren" Längsrillen im Boden. Vorher erfolgten die Paßfomalitäten ohne Problem.
Optima hatte eine bunte Mischung von Bordpersonal eingestellt. Aus allen Staaten, die durchfahren wurden, waren Mitarbeiter dabei. Bulgaren, Serbier, Kroaten und Slowenen. Einige sprachen und verstanden Deutsch. Das Bestellen von Bier war damit möglich. Die Küchenprodukte waren von rustikaler Qualität und erzeugten Gerichte, die ein überzeugendes Gefühl von Sättigung hinterließen. Ein junger Türke um die 35 Jahre war gerade Vater geworden. Stolz zeigt es das Bild seiner Tochter. Sie ist wirklich süß. Ein dicker schwarzer Mecedes SUV wird vonihm gesteuert. In Syrien sei er gewesen. Ja, gibt es das? Doch, sagt er es gehe, wenn  man einen Verwandten hat, der ein hohes Turkisches Militär ist. Mit dem sei er nach Syrien gefahren, um Grundstücke zu kaufen. Der Sysrische Staat verkaufe Grundstücke von Familien, die den Krieg nicht überlebt haben. Sein Geschäft sei gut gelaufen. Mit dem Leid und Elendder Menschen lasst sich immer ein gutes Geschäft machen, werfe ich ein. Seine Frau hätte ihm auch schon Blutgeld vorgeworfenund wenn nicht er, würden Andere das Geschäftt machen. Nach viereinhalb Jahren Gefängnis in Deutschland habe er inzwischen einen straffreien Weg eingeschlagen und sich eine Tankstelle, ein Hotel  und eine Gaststätte gheschaffen. Viereinhalb Jahre Gefängnis waren seiner penkuniären Biographie nicht abträglich.
Jedenfalls wurde ich von einigen Mitreisenden gut mit Brot, Gurke, Tomate und Melone versorgt. Ich litt keinen Mangel, kam gut ernährt um drei in der Früh' in Villach an. Mein Plan, ein Stück mit dem Autoreisezug zu überbrücken, war gut. Die Wagons sind nicht klimatisiert und alles ist einfach und praktisch. In Villach stand mir die erste Nachtfahrt bevor: Suche die Autobahn Salzburg-München. Wie so oft erwies sich die Polizei als hilfreich. Sie fuhr das Stück durch die Ortschaft vor, biszu dem Punkt, von dem konnte ich die Autobahn nicht mehr verfehlen konnte. Gegen sechs Uhr erreichte ich das Zollamt Rosenheim an der Autobahn. ich musste das Carnet abstempeln lassen, um das hinterlegte Geld  zurück zu erhalten. Eine Stunde Wartezeit hatte ich nicht eingeplant. Das Zollamt öffnete erst um sieben. In der Gesellschaft zollerfahrener Trucker verging die Zeit gut.
Vieertel nach Sieben saß ich wieder auf dem Mopped und fuhr zu unseren Freunden Ursel und Bernd bei München. Wir haben wie immer gut geplaudert und ich konnte Bernd als Fußballtrainer kennen lernen. Sekine Manschaft gewann trotz drückender Hitze 3:2.
Auf der A 9 kam die Abfahrt Hiltpoltstein in Sicht. Ein Ort in der fränkischen Schweiz, der Kindheitserinnerungen wach rief. jedoch, es fand sich  kein Hotel im malerischen Ort, über dem eine Burg thront. In Gräfenberg hatte ich Glück. Ein Gast hatte im Dorfgasthof abgesagt und ein Bett für mich frei gelassen. Mit einem rustikaler Braten und Bier aus der Brauerei des Gasthofes führte ich die nötige Bettschwerre herbei. Das Frühstück stand dem gestrigen Braten nicht nach undso fuhr ich gut gestärkt vom Hof. Die Bundesstraße 2 schlängelt sich durch die waldreiche Gegend bis nach Bayreuth. Ich gönnte mir die entspannte Fahrt und vermied rund 70 km Autobahn. Gelassen steuerte ich die Biene nach Berlin. Um 15:00 Uhr klappte ich vor meiner Haustür den Seitenständer runter und war glücklich gelandet. Sabine hatte einen liebevollen Empfang vorbereitet. Freund und Mitbewohnerinnen empfingen mich und zeigten, dass es zu Hause am Schönsten ist.
Ich danke allen, die mich auf ihre besondere Art unterstützt haben. Ohne die vielen lieben Rückmeldungen wäremanches viel schwerer gewesen.
Danke.




Freitag, 23. Juni 2017

Edirne letzte Stadt im Orient und vorletzte Gedanken

Edirne, eine alte Stadt. Ohne Plan bummle ich durch den alten Teil. Mindestens zwei bemerkenswerte Mocheen laden zum Tipp Besuch ein. Die Baukunst damaliger Zeit hat große Gebtshallen geschaffen. Ihre Kuppen ruhen auf dicken eckigen Pfeilern und sind wunderbar gemustert ausgemalt. Während ich so rumschaue, warten meine Stiefel vor der Tür. Dann wieder kleine Gassen. Alte Windschatten Häuser sind noch nicht abgerissen. Restaurants oder Geschäfte halten das Haus zusammen. Selten eine Frau mit Kopftuch oder Vollkörperumhang. In den Lokalen wird auch gegessen, getrunken und geraucht. Eben doch westlicher. Es gibt ein schönes Museum aber ich habe keine Lust mehr, warte auf die Abfahrt. Da ist ein Frisör ganz willkommen. Er Schneider flink mit der Maschine, den Feinschliff mit der Schere. Der Kopf wird mir gewaschen. Die Haare in den Ohren mit dem Feuerzeug abgefackelt. Alles sehr kurz. Der Helm wackelt jetzt auf meinem Kopf, wie auf einem alten Besenstiel.
Serbische Landschaft zieht vorbei, so schreibt man immer, wenn man im Zug sitzt. Felder, kleine Dörfer. Obstbäume und Blumen füllen die Garten. Die Wallnussbäume sind meine Favoriten. Man schafft Ordnung unter der EU-Flagge. Die roten Ziegeldächer der Häuser ruhen auf den Mauern des Erdgeschosses. Manchmal gibt es eine Etage dazu. Selten kommt der Grundriss über das Rechteckige hinaus. Berge zeichnen im Hintergrund runde Schwünge in den Horizont. Serbien, ein Land mit viel Leid beladen.
Bilder mischen sich in die vorbeiruckelnde Landschaft. Möven haben sich am Strand aufgereiht und beobachten die Wellen. Sie hüpfen etwas nach rechts, dann wieder nach links. Ein Tanz vor der Abendsonne, schöner als die Damen im Friedrichstadt Palast. Ein Kind möchte mitfahren, ist unerwünscht. Sie fliegen auf . Weiter draußen Simpson sie auf den Wellen.
Ist man unterwegs, richtet sich die Energie auf das Ziel aus. Ist der Weg richtig, soll ich lieber über Charoschomay oder besser durch die Berge reisen? Wo kommt das nächste Hotel?  Alltagsfragen fordern die Energie. Gefühle bleiben im Hintergrund. Ich hänge sie an Bildern auf, wenn ich sie später in Erinnerung rufe, geben sie die Farbe und Musik in das Bild.
Wehmut und Glück spazieren in mir. Noch ist das Ziel der Reise nicht erreicht. Greifbar liegt es vor mir und ist doch noch lange nicht begriffen. Mit wieviel kindlicher Neugier wurde ich beim Halten bestaunt und befragt. Immer wieder Germany gut, tolles Motorrad, so eine Reise und ganz alleine. Im Iran kamen immer Mehrere zusammen, solange bis einer ein wenig übersetzen konnte oder die Antwort auf meine Frage kannte. Die Versuche, ihre Neugier, was will der Deutsche hier, zu befriedigen waren rührend. Wie sie sich in den Parks oder am Rande der Straße in den Schatten setzten, ihren Gaskocher auspacken und gemeinsam Picknick machten bot ein Bild einfacher Zufriedenheit. Es hat eine Weile gedauert, bis ich die Hast ablegte. Die Angst vor Pleiten, Pech und Pannen fuhr mit. Ich hatte keine Ahnung, was das Motorrad aushält und ob die Anpreisung des Händlers, mit der Tenere gibt es keine Problem, stimmen würde. Ich malte mir aus, wie ich liegen bleibe und die Hilfe organisieren muss, keine lustvollen Bilder. Es braucht Energie, solche Bilder ins Gute zu wenden. Innehalten, das Erreichte abspielen lassen und die Gewissheit, dass es für ganz viele Sachen menschliche Lösungen gibt, helfen dem Energiefluss. Der Fluss, zumindest seine Feuchtigkeit, hat ja seinen Ursprung im Humor und also soll man ihn fließen lassen. Andererseits kann meine Angst nicht so groß gewesen sein, denke ich an meine Tour durchs wilde Kurdistan. Wenn ich davon erzähle, schlagen alle Türken die Hände über dem Kopf zusammen. Sie sehen lauter Terroristen. Ich sah eine prachtvolle Landschaft und eine Bergstraße, wie ich sie noch nie befahren habe. Fehlende Leitplanke, tiefe Abgründe, überall fuhr ich gut durch. Da gibt es noch mehr Strecken, die alles forderten. Ich bin sie mit froher Zuverwicht gefahren. Insgesamt habe ich das Risiko nicht außer Acht gelassen. Das riesen Motorrad zu beherrschen wollte bis heute erlernt sein. Inzwischen geht es viel besser und sicherer. So bereiste ich zwei mir fremde Länder, die Türkei und Persien: einfach toll. Es gibt noch viel zu sehen.

Donnerstag, 22. Juni 2017

Edirne, letzter Tag im wesentlichen Orient

Von der Ecke des Bosporus, die fast direkt am Schwarzen Meer liegt oder umgekehrt, ging meine Reise dem Ende entgegen. Auf Edirne zu musste ich fahren, um den Zug nach Villach zu erreichen. Am Abend saß ich vor meinen kleinen Fischen und blickte über das Meer, wie weit es ist. Viel Weite hat mich begleitet. Der Blick konnte schweifen, blieb manchmal fast haltlos. So viel habe ich gesehen, so wunderbare Menschen erlebt. Sie haben sich nicht verstellt, sie haben nicht gespielt, sie zeigten sich in ihrer Einzigkeit. Das ist, wenn ich das schreibe, immer noch anrühren. Ganz viel Einfaches erlebte und beobachtete ich und, mit wie wenig man auskommt.
Die neue Brücke zu fotografieren stellte sich als aufwendiger heraus als gedacht. Davon wird es keine Bilder geben. Weil es bis Edirne noch gute 300 km waren fuhr ich auf die dicke Autobahn. Es macht einfach keinen Spaß, in diesem Gerase zu fahren. Bald bin ich wieder runter und auf die Bundesstraße am  Bosporus entlanggeknattert. Dort wo ich ankam, geht es wieder zurück. Die Straße führt ins Innere. Landwitschaft hat die Ebene unter den Pflug genommen. Der Weizen wird schon geerntet. Viele Kühe für die Ayranproduktion fressen das mager ausschauende Gras und zaubern Milch daraus.
Optima Tours fand ich bald am Bahnhof von Edirne. Die Damen waren sehr um mich bemüht und vermittelten gleich ein Zimmer im Bahnhof für 10 €. Da kaum Zügen fahren war das "voll ok."
Es haben mich einige Anfragen hinsichtlich der Hotelkategorien erreicht. Z.B., ob es denn tatsächlich eine fünf Tiere Gruppe gäbe. Die Drei sei ja schon ganz heftig. Ja, es gibt auch die Fünf Insekten. Das sieht dann so aus:
Die Eingangstür geht nur mit einem kräftigen Ruck auf und schlägt hinter einem laut ins Schloss. Zum Glück fällt das Hotelschild nicht vom Dach.
Im Halbrund sind hinter Zigarettenrauch zwei Typen zu erkennen. Sie sitzen auf speckig angegriffenen Sesseln. Einer trägt eine ärmellose Feinripphemd und eine graue Jogginghose, der andere verdeckt seinen Körperumfangunter einem weiten Karohemd das sich faltenfrei über eine wadenlange weißgraue Turnhose legt. Beide haben die Statue von Ringkämpfern. Der, der gerade nicht raucht, bearbeitet seine Fingernägel mit einem Knipser. Habe sich die Augen an das Halblicht gewöhnt, sieht man auch den Dritten. Er ist mauseschlank. Seine Oberlippe ziert ein Bärtchen und er gibt gleich vor, Englisch zu sprechen. Er versteht leider erst nach einigen Anläufen, dass man ein Zimmer möchte. Ja, haben sie, wunderbar. Seine dunkelbraune Hose schlackert ihm um die mageren Lenden.
Im Zimmer ist erkennbar, dass schon mindestens drei im Bettzeug geschlafen haben. Bereits das heben des Bettuches erfordert den Besuch der nächsten Apotheke, denn neben den Flügellosen rufen Milben die Steigerung hervor. Im Bad sind Fliesen abgesprungen. Die Fehlstellen wurden von Hand mit Mörtel verschlossen. In den Fingerspuren sammelt sich regelmäßig Feuchte und erzeugt Pilzbelag. Das Klo wackelt, abgesehen von der Brille, man benötigt gutes Gleichgewichtsgefühl. Die Spülung hört nicht auf zu laufen. Im Waschbecken läßt der erste Strahl rostigen Wassers Rückschlüsse auf die Belegungsdichte zu. Die Fußpilzsporen sind glücklicher Weise eingetrocknet und stellen keine Gefahr mehr dar. Der Duschkopf spritz aus vielen Löchern aber kaum aus der Brause. Die Balkonbrüstung hört in Kniehöhe auf, der obere Teil ist abgerostet.
Der Dünne nennt den Preis und sagt, dass es weit und breit kein weiteres Hotel gibt. Über den Preis lässt er mit sich handeln.
Die Schlafstatt wird weiträumig mit Bolfo Flohpuder bestäubt. Dann geht man mindestens drei Bier oder Tee trinken. Kommt man zurück, klopft man vorsichtig auf die Matratze. Hüpft und springt nichts mehr, schnell den eigenen Schlafsack ausbreiten, reinschlüpfen, Reißverschluss zu ziehen und sofort einschlafen. Bewegt sich noch was, alles noch einmal von Vorne. Gereinigt werden diese Hotels nur, wenn der Krämer gegenüber Allzweckreiniger im Sonderangebot hat.
So ist das, wenn man die Welt bereist. Da kann man was erleben. Drückt mir bitte die Daumen, dass ich auch den Rest gut schaffe.

Dienstag, 20. Juni 2017

Durch die Weiten der Haselnußhügel und schwupp in Europa

Heutzutage sind die Regenkleider gut zu tragen. Sie halten über weite Strecken dicht und die innere Wärme wird ordentlich abgeführt. Irgendwann ist man die Beregnung dann doch leid. Wolken aus denen unaufhörlich dicke Tropfen schwappen behindern die Sicht, die Straßenbegrenzung lädt sich nur erahnen. So geht's strecknweise dahin. Die Pfützen werden tiefer, kleine Bäche rinnen über den Belag. Holzauge sei wachsam. Am Eingang einer Stadt winkt ein Hotel. Ich bin abgelenkt und fahre vorbei. Das nächste wird genommen. Es hat sich etwas zurückgenommen, steckt hinter Bäumen. Ganz neu ist es nicht mehr. Auch Innen hat es seine Zeit gehabt. Die Betten sind frisch bezogen. Die Dusche spendet heißes Wasser. 12  € und der Wirt kocht Tee. Wir sitzen in seinem "Wartereich." Er sitzt den ganzen Tag dort, der Fernseher läuft, zwischendurch klingelt das Handy. Mekan ist Rentner, 1400 TL (geteilt durch vier). Oben fehlen ihm alle Zähne. Er lebt ohne Frau, kennt aber zwei hübsche Russinnen. Die arbeiten auf der südlichen Seite am Meer. Ein Gebiss möchte er nicht, schließlich fährt er einen alten Mercedes (1994). Implantate sollen es sein. Na ja, bei der Rente. Deutschland findet er gut, die PKK nicht. Das ich in Kurdistan war findet er beachtlich, wo sie im TV gerade berichten, dass man Widerstandskämpfer gefangen nahm. Bei seinem Kumpel bestellt er mir "türkische Pizza," mit grobem Hackfleisch belegt und Ayran (inzwischen mein Bierersatz).
Im Bett denke ich darüber nach, Hotels mit einer Anzahl flügelloser Insekten zu kategorisieren. Von einem bis zu fünf Insekten. ZB. ein Insekt: deutlich abgewohnt, Teppich stellenweise bis auf das Gewebe durchgegeben, Türen schließen schlecht, Klo und Dusche mit grauen Spuren in Ecken, Bettwäsche frisch, bei offenem Fenster kein muffiger Geruch. Oder Kat. drei (3 Insekten): deutlich abgewohnt, schöne Risse verzieren Treppenhaus und Zimmer, Stolperstellen im abgelatschten Teppich, Tür lässt sich nur mit Trick verschließen, die Bettwäsche könnte schon mind. einen Bewohner vorher gehabt haben, Dusche tropft, heißes Wasser kommt erst nach langer Zeit, die Klobrille hängt auf halb Sieben, Fugen der Fliesen ausgebrochen und schön grau, es duftet nach Abfluss, der Seifenhalter ist gebrochen, die Handtücher sind frisch, die Anzahl der flügellosen Insekten im Bett beschränkt sich auf drei pro Meter hoch zwei, der Wirt ist freundlich und kocht Tee.
Es regnete die ganze Nacht, mein nächtliches Nachschauen half nichts, es goss weiter. Jedoch, der Morgen brachte die Änderung vom Dunkelgrau zu Hellgrau mit lichten Flecken. Da kommt Freude auf. Es kann nur besser werden. In Ruhe einpacken, duschen, rasieren, abhusten. Alles will getan sein. Die Handschuhe hatte ich mittels Klopapier und Föhn fast trocken bekommen. Die Heizgriffe mache den Rest. Es ist wunderbar dem anspringen den Motor zuzuhören. Gleich schiebt er mich auf die Straße und die ist vielversprechend.
Sie Küste arbeitet sich steil ins Mittelgebirge empor. Dort oben sieht es aus, als wäre ein friedlich wogendes Meer erstarrt. Man hat es mit Haselnußbüschen bepflanzt. Das kräftige Grün gibt der Landschaft die prägende Farbe. Kleine Dörfer unterbrechen den Fluß der Straße. Selten noch, grüßen graue Holzhäuser aus vergangener Zeit. Es riecht nach Stall. Alte Mütterchen hüten auf einen Stock gestützt ein oder zwei Kühe. Eine Ziegenherde bestimmt den Verkehr.
Mit dem Aufkommen der Autos, so hatte ich den Eindruck, nutzten viele Männer das Turbohochleistungsöl für ihr Auto auch als Gleitmittel beim Sex. Die darin enthaltenen Gene haben sich besonders auf ihre Sprösslinge übertragen. Sie holen aus ihren Autos raus, was das Öl hergibt. Es spielt keine Rolle, wenn dabei ein alter Motorradfahrer in den Graben geschoben wird, nur weil man in der Kurve den Gegenverkehr nicht rechtzeitig sehen konnte. Ich fahre gelassen und defensiv. Damit bin ich nicht schnell aber sicher unterwegs auf der Strecke, die sich wie eine Achterbahn durch das stille Meer der Hügel zieht. Es macht Freude, hier unterwegs zu sein.
Die neuen Brücke über den Bosporus sollte meine Biene und mich tragen. Eine gigantische Brücke. 1408 Meter spannt sie über die Enge, hängend an dicken Seilen. Die Ideen eines Thüringer, eine Mischung aus Hänge-und Schrägseilbrücke, ist von einer Schweizer Firma umgesetzt worden. Die beiden Pylone messen in der Höhe 322 Meter. Sie sind unbedeutend kürzer als der Eiffelturm. Die Seile wirken wie Saiten einer Harfe. Sie halten die Fahrbahn in der Schwebe. In der Mitte rasen Hochgeschwindigkeitszüge hin und her. Autos und Lkw's teilen sich je vier Fahrbahnen an den äußeren Rändern. Es ist gelungen, dem Beton eine ungewöhnliche Leichtigkeit zu geben.
Mit dem Finden der Zufahrt war es nicht ganz so leicht. Meine antiquarische Türkeikarte verzeichnete die Brücke noch nicht. Auch ein bekannter Internetanbieter von Routen, kannte die Verbindung noch nicht obwohl sie auf seiner Karte angezeigt wurde. Instinkt, wo es langgezogene könnte, habe ich inzwischen entwickelt. Und tatsächlich, dort wo ich dachte, gab es ein Hinweisschild "Yaviz-Sultan-Selim..." (es soll sich um einen Herrscher handeln, der so manchen dahin scheiden ließ.) Die alte Straße zur Brückenautobahn hatte unter den vielen Lastern, die immer noch dicht an dicht Baumaterial transportieren, stark gelitten. Ein Überholen war kaum möglich, weil immer welche entgegen kamen. Und trotzdem, die mit dem Ölgen konnten es nicht lassen. Dann kam die Auffahrt auf die Autobahn (sie soll einmal Edirne mit Ankara verbinden), die ich nicht für voll nahm. Eine Schotterpiste mit pfützigen Schlaglöchern. Nach vier Kilometern fragte ich nach. Man wies mir die Richtung zurück. Beeindruckend war die Querung auf der modernen Brücke. So ein Gewicht zu kontrollieren und zu halten und das in der Höhe zu bauen ( es gab einen schweren Unfall, der den Bau verzögerte), alle Achtung.
Jetzt bin ich wieder in Europa. Habe drei Sterne im Hotelnamen, gut gegessen, mein letztes Waschmittel verwachsen und werde morgen in Ruhe nach Edirne reisen.

Samstag, 17. Juni 2017

Verschnupft in Amasra

Am frühen Abend eines kalten Januarabends geboren und fünf Monate später durch die Luftbrücke ernährt, sind mir Erkältungen bestens vertraut. Bis heute kann ich den Viren nichts abgewinnen. Sie bedrohen mich. Ich kann das Leid nicht leicht nehmen. Als Kind musste ich im Winter, wenn ich durchgefroren nach Hause kam, sofort ein heißes Fußbad nehmen. Damit der Junge nicht krank wird. Na ja, heute mache ich ein wenig ruhiger.
So langsam ist es wie mit einem Luftballon, je älter er wird, um so weniger Luft behält er. Es ist schwer, über eine solche Reise, den Ballon immer prall zu halten. Die vielen Eindrücke helfen der Leere zur Fülle, doch manches wird erst später zur gewünschten Luft. Später, wenn das Erzählte am Gegenüber reflektiert werden kann. Das Schreiben ist mir eine Lust. Es leert den "Speicher" und macht Platz für Neue. Ins Chaos des Erlebten kehrt vorübergehend Ordnung ein. Sie ist notwendig, damit wieder Chaos entstehen kann. Der Wechsel zwischen beiden Seiten sorgt für Entwicklung, die Verstehen erleichtert.
In den letzten beiden Tagen bin ich erst an der Küste entlang und später durch die sehr schöne  Mittelgebirgslandschaft, die zum schwarzen Meer hin abfällt, gereist. Am Rand des Meeres wird eine Autobahn gebaut. Kilometerlang ging es auf Schotten dahin. Da konnte die Tenere wieder zeigen, was sie so kann. Landeinwärts zeigt sich eine Mischung aus Schwarzwald, Eifel und Böhmer Wald. Kleine Häuser zwängen sich in die Hänge, Kühe weiden am Rande der Autobahn. Bäuerliche Kleinwirtschaft gibt den Eingesessenen Brot zum Leben.  Die Bergstrecken stören die Biene nicht. Mühelos spaziert sie Kurve um Kurve in die Höhe. Da zeigt sich ihre wahre Größe.
Ich möchte die Begegnung mit einem Berliner Motorradpärchen erzählen. Beide sind in Berlin gestartet. Denise und Esben haben sich kleine Honda Enduros gekauft, 26 PS. Die sind leicht zu händeln. Damit wollen sie eine Weltumrundung fahren. Er ein freundlicher rotblonder Däne und sie eine freundliche Blondine. Beide strahlten soviel Lebensfreude aus, dass ich am liebsten mitgefahren wäre. Unter "Motourama" kann man ihre Tour im Internet verfolgen. Das sind die Situationen im Leben, in denen man sich erinnert, was man hat und mit wieviel Glück alles verbunden ist.
Viel mehr ist heute nicht drin, mein Kopf brummt, die Nase läuft und der Husten sucht sich seinen Weg.
Drückt mir die Daumen, dass es weiterhin so wunderbar nach Hause geht.

Donnerstag, 15. Juni 2017

Abendstimmung im Fastenmonat

Sanft schaukeln die Wellen das Restaurant in der untergehenden Abendsonne. Sie wirft lange Schatten in das Hafenbecken und verteilt ihre letzten Strahlen auf die roten und gelben Fischtrawler. Möven fliegen eine kleine Abendrunde, äugen nach einem letzten Happen. Sie kreischen zänkisch und jagen der Nachbarin den Fang ab. An den Schiffsmasten fangen die rote Fahnen mit dem weißen Halbmond den Abendwind ein. Einige schlafen schon, so still hängen sie.
Schaue ich über die Mohle, dorthin, wo das Schwarze Meer, das gar nicht so schwarz ist, in den Strand übergeht, reihen sich kleine weiße Häuser die Küste empor. Bäume unterbrechen die klaren  Linien. Weit hinten am Horizont ist es bereits Nacht.
Heute gehöre ich zu den Ungläubigen. Ich esse bereits vor dem Böllerschuss, der vom Ende des Fastentages kündet. Kleine in Öl gebackene Fische zieren den großen Teller. Sie zeigen Bauch und durch die leichte Panade schimmert ein zuückhaltendes  Rot mit hellgrün silbrigen Streifen. Die Zwiebeln schmecken nicht vor und lassen dem Salat seinen eigenen Geschmack.
In unserem christlichen Abendland wäre die hier erlebte Art der Enthaltung nicht denkbar. Und dann auch noch einen ganzen Monat. Über Tag könnten die Biergärten kein Geld verdienen. Bayern, dort wo der christliche Glaube fast türkisch ist, ist doch tagsüber ohne Haxe und Bier nicht vorstellbar. Hinzu käme der pekuniäre Ausfall, der einer haushaltstechnischen Kathastrophe gleich käme. Jedenfalls lebt man hier ganz gut damit und mir lassen sie meine kleinen Ausfälle durchgehen. Ich muss nur darauf achten, rechtzeitig im Lokal zu sein, sonst sind alle Plätze belegt.

Mittwoch, 14. Juni 2017

Ali und die 40 Döner

In Sinop hatte ich gerade meinen Rundgang beendet und mich für drei Tage vor Ort entschieden, da werde ich schon angesprochen.  "Dein Motorrad, du kommst aus Berlin?" "Ja, stimmt und Sie? Wo haben sie Deutsch gelernt?" Der Mann mit dem kräftigen Schnauzer:" Komm, Tee trinken, ach, Ramadan hier nicht so streng."
Wir gehen ums nächste Haus, sind an der Hafenkante. Typisches Teehaus, nur Männer. Einige spielen Karten oder Backgammon.
"Was machst du?" Ich erzähle von meiner Reise. Er ist sichtlich beeindruckt. "Und du," frage ich. Er teilt das Schicksal vieler Türken, sein Name ist Ali. Einfach zu merken. Ali macht Urlaub. Wir kommen ins Gespräch, das eine erstaunliche Entwicklung nimmt.
Sein Vater lebte auf der Halbinsel in Sinop, wo er kaum etwas zu tun hatte. Als er 18 wurde brach er mit anderen 1961 nach Deutschland auf. Düsseldorf! Muss furchtbar gewesen sei. Schwere Arbeit, schlafen in Baracke. Mein Vater ist clever, nahm sich mit Freunden eine Wohnung, heiratete, hatte schickes Auto. Der Vater hatte 1970 eine eigene Wohnung. Ali und Mutter wurden mit dem Opel  nach dem Sommer mit nach Düsseldorf genommen. Kleine Schwester musste bei Oma bleiben. Sein Vater war modern, schickte die Mutter zum Putzen ins Krankenhaus, ihn in den Kindergarten. War dort das erste Türkenkind. Schule war gut, Mathe und so prima. Ali auf's Gymnasium. Kommt doch 1983 der Onkel nach Düsseldorf und macht Dönerrestaurant auf. "Am Nachmittag helfe ich immer. Bald kommt ganze Klasse zum Mittagessen. Restaurant läuft gut." "Und wie hast du das mit der Schule gemacht?" "Na ja, ich war gut. Besonders Physik. Ich konnte am spezifischen Gewicht feststellen, ob der Döner mit gutem Fleisch war." Der Onkel fragt, ob er eigenes Restaurant haben möchte. Hat er nicht nein gesagt, Führerschein gemacht Auto gekauft und so. Auch Ali ist clever. Bald hat er vier Dönerbuden und lässt andere "mitarbeiten." Schule adieu. Bald macht er nur noch in Dönerherstellung. "Kleine Fabrik, weißt du. War nicht einfach." Etwas gedankenversunken streicht er sich über eine dicke Narbe am rechten Unterarm. "In die Maschine gekommen," frage ich. "Ne, ne, ist eine andere Geschichte." Ich sage: "Du bist also Dönerkönig von Düsseldorf?" Er wehrt mit leichter Geste und einem Lächeln ab, "nein, nicht König, aber gutes Geschäft."
Und jetzt kommt es erst richtig. "Ist doch schade mit der Schule. Du hättest Physik studieren können,"  hake ich nach. Ja, sagt er, hätte ich. Habe auch was über Einstein geschrieben, toller Typ. Das mit der Zeitkrümmung und das sich das Universum ausdehnt findet er stark. Er sei das Beste Beispiel dafür. "Ali, du dehnst dich doch nicht aus!" "Doch," sagt er, "ganz einfach. Du kennst doch die Geschichte mit dem Reiskorn und dem Schachbrett, 1,2,4 und so. Am Ende kannst du die ganze Verwandtschaft satt machen." Steckst du ein Korn in die Erde, bekommst du mehr zurück. Wo soll denn das ganze Korn hin, wen sich die Erde nicht ausdehnen würde. "Einen Döner angefangen, jetzt ganz viele. Stell dir vor, alle Soldaten von deutscher Wehrmacht wären nicht im Krieg erschossen, sondern hätten alle Kinder. Deutschland total voll. Keine Türken, keine Döner und ich armer Mann, legt er lachend nach. "Ali, ich bin beeindruckt und wie geht das mit der Zeitkrümmung?" "Na, ganz einfach," er legt den Kopf zur Seite, "musst du dir wie Hängematte vorstellen. Netz von Hängematte." Er malt mit seinen Händen ein Netz in die Luft. Dort wo die Matte am Baum hängt, ist die Zeit kurz. Kind bist du nicht lange, Schule, Arbeit. Dann kommt  Geld verdienen. Hast du den Hintern in der Matte, ist das Netz weit. Du hast mehr Zeit. Jetzt, wo ich alt werde, hängt die Liege wieder dichter am Baum. Die Maschen werden kurz, die Zeit geht schnell. "Merkst du das nicht?" Er sieht mich forschend an. Ganz abstreiten kann ich nicht, dass die Zeit schneller vergeht als früher. Ob das an der Hängematte liegt?
Meine Frage nach einem Hotel beantwortet er mit "komm!" Er telefoniert kurz und wir gehen wieder ums Eck über die Straße. "Hotel 57, " der Besitzer arbeitete auch in Deutschland. In der Nähe vom Tegernsee. Seine Tochter spricht perfekt deutsch. Da kann nichts schief gehen. Zimmer und Preis sind gut. Ich kann aufs Meer schauen und die Katzen auf den Dächern beobachten.
Wieder gut getroffen!