Freitag, 9. Juni 2017

Von Tabris zur Grenze, Aserbaidschan

Gute 4400 km bin ich im persischen Märchenland gefahren und heute wieder heil an der Grenze gelandet. Eine letzte Nacht auf einer persischen Matratze wollte ich mir vor dem Wechsel in die doch westlich angehauchte Kultur noch gönnen. Ohne Hast das Land verlassen, welches zu bereisen bereits die Träume meiner Kindheit belebte. Tee, eine letzte Tasse vor der Abfahrt. Mehr sollte nicht möglich sein, ein Rumoren in den unteren Därmen verbot das Essen. Trotz aller Vorsicht hatte es mich erwischt.
Man hatte mich gewarnt, an der Grenze stehen Helfer, die wollen Geld verdienen. An der ersten Schranke winkte mich gleich einer am Schlagbaum vorbei und bedeutete mir, anzuhalten. Habe ich aber nicht und bin eifrig weiter gefahren. Dann wurde es unübersichtlich. Viele Spuren, viele Häuser, viele Männer mit gelben Papieren (Carnet der Passage!). Ich also hin. Alles Brummifahrer. Ja, da drüben würde man den Stempel bekommen. Ein Stück weiter, ja hier nur für die Einfahrt. Ausfahrt geht oben. Also die Straße weiter hoch. Durchfahrt versperrt. Haste du noch Iran Geld, tauschen? Nein, hab alles  versoffen. "Yes, drunken!" "No Money?" "Nein, alles versoffen!" "Carnet?" Achselzucken. Einer zeigt auf ein Haus. Ich hin. "No, no,
Passport." "Wo?" Er zeigt in eine Richtung. Inzwischen haben mich drei Männer angebaggert, sie wollen mir helfen, "kein Geld." Das gibt es nicht. Lange Schlange vor dem Passschalter. Ich versuchen es von der anderen Seite, der Zöllner vergrault mich. Kommt einer mit Aktentasche und weißem Hemd, wirkt offiziell. "Give me Paß, no waiting." "How much?" No no... Den Paß gebe ich ihm nicht, sage aber "Go." Er marschiert an der Schlange vorbei zum Zöllner. Kurzes Palaver, Blick in den Computer, rumtippen, Zack ist der Stempel im Pass. Der mit dem Hemd:" Carnet!" Ich:" OK, Go!" Das Carnet wird rausgesucht. Am ersten Tisch an der Schlange vorbei. "Salam, mach mal deinen Kringel auf's Papier!" Kringel erfolgt. Weiter zum nächsten, der steht vor der Tür und raucht (will ja nur sagen, ist ja Ramadan, von wegen enthaltsam und so...) "Salam alter Schwede, habe hier wieder son Deutschen, der will sein Carnet abstempeln, kann'ste dein Kringel machen?" Ohne Worte wird gekringelt. Zurück vor die Glasscheibe mit Öffnung. Paß und Carnet verschwinden dahinter und werden eifrig bearbeitet. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, er findet mich nicht im IT-Universum. Dann aber doch. Stempel drauf und fertig. Der  Helfer bekommt noch ein Papier. Der,  "ready, to Motorcycel and go!" Na prima, keine 40 Mitnuten seit dem ersten Schlagbaum. Am Grenztor winkt er mit dem Papier. "50 € Service." Arsch, denke ich und lache ihn an. "You are prima Helper. Tank you! Gut, not 50 €. 15 OK." Er spielt den Entsetzen. " Nö, 50 €." Ich: "Ist ein bisken fülle für die paar Minuten." Er: "I don't understand." " Make a new Price!" Das Weißhemd: "Ok, 40  €." Ich schüttele mein weises Haupt und zeige mit dem Daumen nach unten. Also, wir einigen uns auf 30. Ist immer noch zu viel. Die ganzen Gänge hätte ich bestimmt nicht hinbekommen oder nur nach Stunden. Jedenfalls stehe ich vor dem Tor in die Türkei. Es bleibt erst mal geschlossen. Zwei Soldaten sitzen im Schatten und plaudern. Ich suche Schatten. Nach 10 Minuten gehe ich zu den Beiden. Einer erhebt sich und deutet an, dass er das Tor öffnen wird. Seinem türkischen Kollegen ruft er zu, dass er sein Tor auch öffnen soll. Der macht erst noch seine Aufgaben zu Ende. Wie von elektrischer Energie betrieben schleicht sich das eiserne Tor zur Seite. Gut geschmiert gibt es keinen Ton von sich. Ich durch, Biene abgestellt und zum Häuschen. Der schreibt seiner Geliebten gerade ein Gedicht. Nach dem ich mich geräuspert habe, ist auch das Poem zu Ende geschrieben. Ich soll erst irgendwo darüber gehen. Der hat das Gedicht nötig, so brummig ist der drauf. Also darüber. Hier werden auch Gedichte geschrieben. Paß, carpaper,  ist seine knappe Anweisung. Jetzt schreibt er ein Epos in den Computer. Es wird die zweite Strophe zu meiner ersten Durchfahrt. Der Eintrag kommt in den Pass. Ich wieder zurück zum Ersten. Der ist bestimmt bei der dritten Strophe. Fast wortlos erfolgt das Verfahren zur Einreise in die Türkei. Ich darf weiter. Wie sich ein paar Minuten später herausstellte sagte er mir nicht, dass ich ein Papier benötige. Deswegen werde ich am Durchlass zur Autobahn zurückgeschickt. Krudeliger Untergrund auf der Straße vor dem Tor. Wende da mal 300 kg. Na immer schön ruhig. Alle schauen zu. Jetzt mache ich Show. Ich schiebe die Biene rückwärts. Ein Pickup mit Soldaten steht im Weg. Als ich losfahre sind alle gespannt, ob ich vorbei komme. Im iranischen Verkehr gestählt, fahre ich um Haaresbreite am Auto vorbei. Vor dem Bürohäuschen, an dem ich bei grüner Ampel vorbeifuhr, steht ein Soldat und winkt mich auf die andere Seite, will ich aber nicht. Er winkt heftig. Ich rufe ihm zu, dass ich nicht Einreise. So, der kleinen Zettel, halbe BVG Fahrscheingröße, ist der Toröffner. Fast wäre er davon geflatter aber der Zöllner fängt ihn ein und ich fahre in der Türkei. Schön, dass der 5100 Meter hohe Ararat majestätisch über Allem wacht und an die Biebelstunden bei Pastor Rauh erinnert.
Die Realisierung von Träumen will verdient sein. Ohne Belastung gibt es keine Energie für Zufriedenheit und umgekehrt. Solche Situationen sind anstrengend und ich muss hellwach dabei sein. Ein Fehler, ein falscher Satz können unangenehme Folgen haben. Es hilft sich zu sagen, dass die Anderen auch leben wollen. Manchmal auf eine Art die ich nicht verstehe, aber muss ich das?

2 Kommentare:

  1. Silvia: du solltest es als nächstes als Krimi Autor versuchen! Mit angehaltenem Atem verfolge ich die Grenzpassagen...

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  2. Rüdiger, du solltest ein Buch schreiben, in der Kürze liegt die Spannung. Kurze knappe Sätze, viel SPannung, einfach toll.

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