Donnerstag, 22. Juni 2017

Edirne, letzter Tag im wesentlichen Orient

Von der Ecke des Bosporus, die fast direkt am Schwarzen Meer liegt oder umgekehrt, ging meine Reise dem Ende entgegen. Auf Edirne zu musste ich fahren, um den Zug nach Villach zu erreichen. Am Abend saß ich vor meinen kleinen Fischen und blickte über das Meer, wie weit es ist. Viel Weite hat mich begleitet. Der Blick konnte schweifen, blieb manchmal fast haltlos. So viel habe ich gesehen, so wunderbare Menschen erlebt. Sie haben sich nicht verstellt, sie haben nicht gespielt, sie zeigten sich in ihrer Einzigkeit. Das ist, wenn ich das schreibe, immer noch anrühren. Ganz viel Einfaches erlebte und beobachtete ich und, mit wie wenig man auskommt.
Die neue Brücke zu fotografieren stellte sich als aufwendiger heraus als gedacht. Davon wird es keine Bilder geben. Weil es bis Edirne noch gute 300 km waren fuhr ich auf die dicke Autobahn. Es macht einfach keinen Spaß, in diesem Gerase zu fahren. Bald bin ich wieder runter und auf die Bundesstraße am  Bosporus entlanggeknattert. Dort wo ich ankam, geht es wieder zurück. Die Straße führt ins Innere. Landwitschaft hat die Ebene unter den Pflug genommen. Der Weizen wird schon geerntet. Viele Kühe für die Ayranproduktion fressen das mager ausschauende Gras und zaubern Milch daraus.
Optima Tours fand ich bald am Bahnhof von Edirne. Die Damen waren sehr um mich bemüht und vermittelten gleich ein Zimmer im Bahnhof für 10 €. Da kaum Zügen fahren war das "voll ok."
Es haben mich einige Anfragen hinsichtlich der Hotelkategorien erreicht. Z.B., ob es denn tatsächlich eine fünf Tiere Gruppe gäbe. Die Drei sei ja schon ganz heftig. Ja, es gibt auch die Fünf Insekten. Das sieht dann so aus:
Die Eingangstür geht nur mit einem kräftigen Ruck auf und schlägt hinter einem laut ins Schloss. Zum Glück fällt das Hotelschild nicht vom Dach.
Im Halbrund sind hinter Zigarettenrauch zwei Typen zu erkennen. Sie sitzen auf speckig angegriffenen Sesseln. Einer trägt eine ärmellose Feinripphemd und eine graue Jogginghose, der andere verdeckt seinen Körperumfangunter einem weiten Karohemd das sich faltenfrei über eine wadenlange weißgraue Turnhose legt. Beide haben die Statue von Ringkämpfern. Der, der gerade nicht raucht, bearbeitet seine Fingernägel mit einem Knipser. Habe sich die Augen an das Halblicht gewöhnt, sieht man auch den Dritten. Er ist mauseschlank. Seine Oberlippe ziert ein Bärtchen und er gibt gleich vor, Englisch zu sprechen. Er versteht leider erst nach einigen Anläufen, dass man ein Zimmer möchte. Ja, haben sie, wunderbar. Seine dunkelbraune Hose schlackert ihm um die mageren Lenden.
Im Zimmer ist erkennbar, dass schon mindestens drei im Bettzeug geschlafen haben. Bereits das heben des Bettuches erfordert den Besuch der nächsten Apotheke, denn neben den Flügellosen rufen Milben die Steigerung hervor. Im Bad sind Fliesen abgesprungen. Die Fehlstellen wurden von Hand mit Mörtel verschlossen. In den Fingerspuren sammelt sich regelmäßig Feuchte und erzeugt Pilzbelag. Das Klo wackelt, abgesehen von der Brille, man benötigt gutes Gleichgewichtsgefühl. Die Spülung hört nicht auf zu laufen. Im Waschbecken läßt der erste Strahl rostigen Wassers Rückschlüsse auf die Belegungsdichte zu. Die Fußpilzsporen sind glücklicher Weise eingetrocknet und stellen keine Gefahr mehr dar. Der Duschkopf spritz aus vielen Löchern aber kaum aus der Brause. Die Balkonbrüstung hört in Kniehöhe auf, der obere Teil ist abgerostet.
Der Dünne nennt den Preis und sagt, dass es weit und breit kein weiteres Hotel gibt. Über den Preis lässt er mit sich handeln.
Die Schlafstatt wird weiträumig mit Bolfo Flohpuder bestäubt. Dann geht man mindestens drei Bier oder Tee trinken. Kommt man zurück, klopft man vorsichtig auf die Matratze. Hüpft und springt nichts mehr, schnell den eigenen Schlafsack ausbreiten, reinschlüpfen, Reißverschluss zu ziehen und sofort einschlafen. Bewegt sich noch was, alles noch einmal von Vorne. Gereinigt werden diese Hotels nur, wenn der Krämer gegenüber Allzweckreiniger im Sonderangebot hat.
So ist das, wenn man die Welt bereist. Da kann man was erleben. Drückt mir bitte die Daumen, dass ich auch den Rest gut schaffe.

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