Freitag, 9. Juni 2017

Frauenfrage

Als ich Kind war, beobachtete ich, wie meine Mutter Geld in Briefumschläge tat. In einer Zigarrenkiste schienen sie sicher. Es war das wöchentliche Haushaltsgeld. Ab 1954 durfte sie nach Absprache mit meinem Vater als Aushilfe im nahen Krämerladen bei Herrn Schulz arbeiten. Später beim Maschenaufziehen (die Perlons wurden noch repariert). Das Lochen der Lottoscheine kam später. Eine Kleinigkeit konnte sie sich selbst kaufen, bei einem Kostüm musste verhandelt werden. Sabine geht Shoppen und kommt mit hübschen Sachen nach Hause. Ich bekomme sie immer ganz frisch vorgeführt.
Im Iran scheinen die meisten Frauen den Haushalt zu führen. In Hotels erlebte ich Frauen an der Rezeption. Sie könnten meist Englisch  sprechen. In den BH Abteilungen der Basare boten männliche Fachverkäufer die Ware an. Feldarbeiterin, Lehrerin und Krankenschwester sind Berufe, in denen sich Iranerinnen besonders wohl zu fühlen scheinen. Alis (lernte ich am Kaspischen Meer kennen) zweite Tochter ist eher eine Ausnahme. Sie ist promovierte Biologin und arbeitet in einem Labor. In einer Bildungsschicht ist immer mehr möglich. In einem Gespräch mit einem deutschen sprechenden Iraner erfuhr ich, dass er vor der Revolution mit seiner Freundin gemeinsam baden ging. Sie im Bikini. Heute trenne ein Bretterzaun Männer und Frauen voneinander. Die jungen Leute hätten keine Freude mehr. Früher gab es eine Bordellstraße, heute sei alles verboten. Seine Tochter soll später zur Uni gehen. Er fand gut, dass jeder für sich eine Arbeit entwickeln kann. Sei es Feuerzeuge auf der Straße verkaufen. 
Also, ein bisschen hatte ich die Frauen in ihren schwarzen Umhüllungen satt. Schuhe, Hose, Überkleid und Umhang, alles schwarz. Der weite Umhang verhüllte den Kopf, manchmal Teile des Gesichts und wurde mit der rechten Hand vor dem Kind zusammengehalten. Manch Umhang hatte ein dezentes  Muster, wahrscheinlich ein Wagnis. Wurde die rechte Hand benötigt, hielten die Zähne den Überwurf beieinander. Sie huschen  wie Fledermäuse durch die Straßen. Es gibt viele Frauen, die sich westlicher kleiden. Ein Kopftuch fehlt nie, ebenso ein gedecktes, den Körper verschleierndes Kleid. Ich bin mir nicht sicher, wie viele von ihnen das Schwarz abwerfen möchten. Sie sind es gewohnt. Wann kommt man in die Lage, Veränderungen Raum zu geben? Wie lange hat es bei mir gedauert, bis ich die lila Latzhose als Recht auf eine eigene Persönlichkeit nachfühlen konnte. Noch schwerer war es, die eigene Person mit allen Widersprüchen anzunehmen. Der schwarze Umhang wirkt doch unterdrückend. Selten sah ich eine Frau stolzen Ganges auf mich zugehen. Schöne Landschaft, alte Kultur, freundliche Menschen, phantastische Märchen, was hindert das Land, alles zu zeigen was es hat?

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